Lucien Bonaparte (1775-1840)

Lucien Bonaparte, Bruder Napoleons
Lucien Bonaparte – Bild: Morphart Creation / Shutterstock.com

Lucien Bonaparte war ein jüngerer Bruder Napoleon Bonapartes.

Im Laufe der Jahre zerstritt er sich mit Napoleon.

Herkunft Lucien Bonapartes

Geboren wurde Lucien Bonaparte als dritter Sohn von Carlo Buonaparte (1746-1785) und Letizia Ramolino (1750-1836) am 21. Mai 1775 im korsischen Ajaccio unter dem Namen Luciano Buonaparte.

Seine älteren Brüder waren Joseph und Napoleon.

Später erblickten seine Geschwister Elisa, Louis, Pauline, Caroline und Jérôme das Licht der Welt.

Ausbildung von Lucien Bonaparte

Seine Ausbildung erhielt der junge Lucien in Frankreich am Collège d’Autun sowie an der Militärschule von Brienne.

Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1785 schlug Lucien eine geistliche Ausbildung ein und besuchte ab 1786 das Priesterseminar von Aix.

Allerdings eignete er sich nicht für die dort übliche strenge Disziplin.

Rückkehr nach Korsika

Als es 1789 zum Ausbruch der Französischen Revolution kam, trat der junge Korse den Rückweg in seine Heimat Ajaccio an.

1791 wurde er zum Sekretär des korsischen Staatsmanns Pasquale Paoli (1725-1807).

Häufig stattete Lucien dem Jakobiner-Club in Ajaccio einen Besuch ab und erwies sich als geschickter Redner.

Weiterhin zeichnete er sich durch ein starkes Selbstbewusstsein und ein gewisses Misstrauen gegenüber Napoleon aus.

Zeitweilig nannte sich Lucien auch „Brutus“.

Im Mai 1793 kam es zum Konflikt mit Pasquale Paoli. Dabei beschuldigte Lucien Paoli, ein Verräter zu Gunsten der Engländer zu sein.

Durch den Konflikt mit Pasquale Paoli musste Lucien zusammen mit seiner Familie Korsika verlassen und begab sich nach Frankreich, wo er zu einem Anhänger Robespierres wurde.

Dessen Sturz und Tod am 27./28. Juli 1794 hatte auch die Verhaftung Luciens zur Folge.

Der Hinrichtung durch die Guillotine entging er nur durch das Eingreifen seines Bruders Napoleon.

Erste Heirat und politische Laufbahn

Nach seiner Freilassung heiratete Lucien die begüterte Erbin Christine Boyer (1773-1800), verschwieg seiner Familie jedoch die Hochzeit.

Dennoch ernannte ihn sein Bruder Napoleon zum „Commissaire des guerres“ in der französischen Nordarmee.

Lucien zog es jedoch zurück in seine Heimat Korsika.

Trotz seines jugendlichen Alters gelang es ihm, einen Platz im Rat der 500 zu bekommen.

Voll und ganz widmete sich Lucien seiner politischen Laufbahn, betrieb jedoch zugleich profitable Geschäfte, an denen auch Korsaren beteiligt waren.

Immer wieder wurden von Lucien mit Eifer neue Gesetze vorgeschlagen.

Ab Mitte 1799 veränderte sich jedoch seine politische Haltung, die auch auf den Einfluss von Abbé Emmanuel Joseph Sieyès (1748-1836) zurückzuführen war.

Im Oktober 1799 wählte der Rat der 500 Lucien zum Präsidenten.

Insgeheim nahm er allerdings an einer Verschwörung teil, die seinen Bruder Napoleon an die Macht bringen sollte.

Staatsstreich des 18. Brumaire VIII.

Am 9. November 1799 wandte sich Lucien in den Straßen von Paris mit Broschüren an die Einwohner der Hauptstadt und prangerte eine falsche Verschwörung der Jakobiner an.

Die eigentlichen Verschwörer nutzten diesen Umstand, um das Konzil nach St. Cloud zu verlegen.

Nachdem die Ratssitzung in St. Cloud einberufen wurde, spielte Lucien zunächst auf Zeit.

Als Napoleon in dem Palast erschien, setzte er sich für ihn ein und rief den Rat der 500, der sich gegen den General wandte, zur Ordnung.

Damit verschaffte er seinem Bruder die nötige Zeit, um mit seinen Soldaten wieder in den Palast zurückzukehren und die Macht zu übernehmen.

Die Soldaten standen einmütig hinter Napoleon und unterstützten ihn.

In einer theatralischen Geste zog Lucien seinen Degen und hielt ihn vor Bonapartes Brust. Sollte Napoleon jemals die Freiheit der Franzosen bedrohen, wollte er seinen Bruder mit diesem Degen durchbohren.

Schließlich wurde Napoleon am 10. November gemeinsam mit Sieyès und Roger Ducos die Regierungsgewalt als Erster Konsul übertragen.

Lucien stieg zunächst zum Innenminister auf.

Der Putsch endete ohne jegliches Blutvergießen.

Orangenkrieg

Am 4. Mai 1800 verstarb Luciens Ehefrau Christine, mit der er vier Kinder hatte, in Paris während ihrer fünften Schwangerschaft an einer Lungenentzündung.

Im November 1800 wurde Lucien Botschafter in Spanien.

Ein Jahr später kam es zum sogenannten „Orangenkrieg“ zwischen Frankreich und Portugal.

Frankreich, das von Spanien unterstützt wurde, verlangte von den Portugiesen, ihr Bündnis mit Großbritannien aufzukündigen.

Im April/Mai 1801 marschierten französische und spanische Truppen in Portugal ein, wobei die portugiesische Gegenwehr nur gering ausfiel.

Im Juni 1801 erfolgte der Frieden von Badajoz und Portugal schloss seine Häfen zunächst für britische Schiffe.

Lucien Bonaparte hatte von Napoleon die Aufgabe erhalten, Portugal zu besetzen.

Doch anstatt die Forderungen seines Bruders zu erfüllen, presste er gemeinsam mit dem spanischen Staatsmann Manuel de Godoy (1767-1851) den Portugiesen eine hohe Zahlung in Form von Diamanten und Gemälden für sich selbst ab, sodass diesen ein milder Frieden gewährt wurde.

Napoleon schäumte vor Wut über seinen unzuverlässigen Bruder. Er bezeichnete ihn sogar als „Dieb“ und „Schuft“.

Im Oktober 1801 beorderte er ihn aus Spanien zurück nach Paris.

Erneute Heirat und Zerwürfnis mit Napoleon

Lucien Bonaparte war ab 1803 Mitglied der Académie française. Auf seine Anregung konnte die Akademie 1803 wiedererrichtet werden.

Weiterhin trat er in den Großen Rat des Ordens der Ehrenlegion ein.

Zu Luciens Schützlingen zählten verschiedene Künstler und Wissenschaftler.

Ebenfalls im Jahr 1803 heiratete Lucien erneut. Seine Wahl fiel auf die Witwe Alexandrine de Bleschamp, deren verstorbener Mann ein Geldwechselhändler gewesen war.

Napoleon, der andere Heiratspläne für seinen Bruder vorgesehen hatte, war über diese Hochzeit sehr enttäuscht.

In St. Cloud kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, als Napoleon von Lucien verlangte, sich wieder scheiden zu lassen.

Napoleon hielt es für vollkommen selbstverständlich, in das Privatleben seiner Geschwister zu intervenieren und setzte sich dabei auch fast immer durch.

Im Unterschied zu seinem jüngeren Bruder Jérôme gab Lucien jedoch nicht nach und weigerte sich beharrlich, Napoleons Wünschen entgegenzukommen.

Rückzug nach Italien

1804 kehrte Lucien Paris den Rücken und begab sich nach Rom, wo er von Papst Pius VII. (1742-1823) freundlich aufgenommen wurde.

Im Jahr 1808 bekam Lucien die päpstliche Kastellanei von Canino.

In Italien lebte Lucien Bonaparte mit seiner Frau, mit der er zehn Kinder hatte.

Außerdem widmete er sich archäologischen Studien.

Insgeheim hoffte Lucien, sich wieder mit Napoleon versöhnen zu können.

Ende 1807 sprachen Lucien und Napoleon bei einem Treffen in Mantua wieder miteinander.

Dabei drohte Napoleon seinem Bruder sogar mit Haft. Gleichzeitig versprach er ihm aber auch einen Thron in Portugal, Spanien oder Italien.

Trotz aller Drohungen und Verlockungen blieb Lucien jedoch standhaft und verweigerte weiterhin die Scheidung von seiner Frau Alexandrine.

Außerdem kritisierte er Napoleons Politik.

Nach seiner Rückkehr nach Rom trübte sich das Verhältnis zu Napoleon noch weiter, als dieser im Februar 1808 den Kirchenstaat von französischen Truppen besetzen ließ.

Gefangennahme Lucien Bonapartes

Lucien sah sich in Italien zunehmend isoliert.

1810 fasste er den Entschluss, über See nach Amerika auszuwandern und nahm Kontakt zu den Briten auf.

Diese verweigerten ihm jedoch eine sichere Schiffspassage nach Übersee.

Trotz allem entschied sich Lucien im August 1810, die unsichere Schiffsreise anzutreten, da ihm ein französischer Haftbefehl drohte, weil er Kontakt zu den Engländern aufgenommen hatte.

Während der Reise geriet Lucien in britische Gefangenschaft und wurde zunächst auf Malta inhaftiert.

Später stellten ihn die Briten in England auf dem Landsitz Thorngrove in Worcestershire unter Hausarrest.

In Frankreich strich man ihn von der Liste der Senatoren und Großoffiziere der Ehrenlegion.

Rückkehr nach Rom

Als Napoleon 1814 als Kaiser abdanken musste und sich ins Exil nach Elba begab, durfte Lucien wieder nach Rom zurückkehren.

Vom Papst erhielt er als Dank für seine aufrichtige Haltung den Titel eines Erbprinzen von Canino, sodass er souverän über seine Ländereien herrschen konnte.

Als Napoleon im März 1815 wieder nach Paris zurückkehrte, vergaß Lucien alle Differenzen und unterstützte seinen Bruder.

Am 9. Mai 1815 versöhnten sich die beiden Brüder wieder miteinander, was durch ein Edikt besiegelt wurde, in dem sich Lucien als „Prince Français“ bezeichnen durfte.

Napoleon verlor jedoch die entscheidende Schlacht bei Waterloo und ging endgültig nach St. Helena ins Exil.

Schweren Herzens schrieb Lucien am 23. Juni 1815 die Akte über die Abdankung seines Bruders.

Es gelang auch nicht, die französischen Abgeordneten davon zu überzeugen, Napoleons Sohn Napoleon II. als neuen Kaiser einzusetzen.

Der König von Sardinien ließ Lucien in Turin unter Arrest stellen.

Durch den Einfluss von Papst Pius VII. kam er bald wieder frei.

Letzte Jahre von Lucien Bonaparte

1816 verbannten die Bourbonen Lucien Bonaparte aus Frankreich.

Auch sein Sitz an der Académie française wurde ihm aberkannt.

Lucien begab sich wieder nach Italien, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.

Dabei ging er seinem Hobby als Archäologe nach und führte Ausgrabungen von römischen Kunstwerken durch.

Auch für die Etrusker interessierte sich der Korse.

1823 nahm die American Philosophical Society Lucien als Mitglied auf. F

erner schrieb er seine Memoiren.

Aus finanziellen Gründen musste er seine Gemäldesammlung verkaufen und das Palais de Canino vermieten.

Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Haus in Viterbo.

Lucien Bonaparte war auch als Autor tätig und schrieb Werke in Reimform und Prosa. Dazu zählte u. a. der Roman „Der Indianerstamm“.

In dem Gedicht „Charlemagne“ widmete er sich Kaiser Karl dem Großen.

Am 30. Juni 1840 verstarb Lucien Bonaparte, genau wie sein Vater und sein berühmter Bruder Napoleon, an Magenkrebs.

Er hinterließ zwei Kinder aus erster Ehe sowie zehn Kinder aus der zweiten Ehe mit Alexandrine de Bleschamp.

Dazu gehörten u. a. sein ältester Sohn Charles Lucien (1803-1857), der ein weltbekannter Ornithologe wurde, Louis Lucien (1813-1891), ein bekannter Linguist, sowie Pierre (1815-1881), der 1870 durch die Tötung eines Journalisten in Frankreich einen schweren Skandal auslöste.