Napoleon und die Katholische Kirche

Durch die Französische Revolution war das Verhältnis zwischen Frankreich und der Katholischen Kirche stark angespannt.

Napoleon bemühte sich aus taktischen Gründen um eine Annäherung.

Vorgeschichte

Die 1789 einsetzende Französische Revolution hatte sich überaus negativ auf Kirche und Klerus im Land ausgewirkt. So büßten die Kirchenvertreter zahlreiche Privilegien ein.

Allerdings gab es auch innerhalb der Kirche eine Spaltung, da 1790 rund 55 Prozent aller französischen Geistlichen den Eid auf die neue Zivilverfassung des Klerus ablegten, die vorsah, dass Priester und Bischöfe gewählt wurden. Unter jenen Geistlichen, die die Verfassung anerkannten, war auch Joseph Fesch (1763-1839), der Halbonkel Napoleon Bonapartes.

Natürlich gab es auch unter den Kirchenvertretern zahlreiche Gegner der Zivilverfassung, sie den Eid verweigerten. Während es den gemäßigten Vertretern der Revolution genügte, die Kirche aus der Politik zu drängen, forderten die Extremisten jedoch ihre komplette Vernichtung.

Außerdem wollten sie die Kirche durch neue Glaubensformen ersetzen, wie zum Beispiel die Theophilantropie, die Protestantismus und Freimaurerei miteinander vermischte.

Bis 1799 wurden die Priester, die sich weigerten, den Eid auf die Verfassung abzulegen, unerbittlich verfolgt. Noch 1799 verhaftete das Direktorium mehr als 9000 Priester und ließ sie deportieren.

Von den regierenden Direktoren wurde sogar im gleichen Jahr in Rom, das die französischen Truppen im Jahr zuvor besetzt hatten, eine Republik errichtet. Diese dauerte zwar nur 13 Monate an, doch war der schwer kranke Papst Pius VI. (1717-1799) nach Frankreich verschleppt worden. Dort starb er nach einem Monat Gefangenschaft in der Zitadelle von Valence.

Dem Direktorium kam der Tod des Papstes durchaus gelegen, weil die Mitglieder glaubten, das Papsttum damit für immer beendet zu haben. So verspotteten sie den toten Papst als „Pius, den Letzten.“

Napoleon wird Konsul

Als Napoleon Bonaparte im November 1799 durch einen Staatsstreich Erster Konsul von Frankreich wurde, sah er sich einer komplizierten Lage ausgesetzt. So war zum Beispiel während der Revolution der Sonntag aus dem Kalender gestrichen worden und auch die Zeitrechnung nach Christi galt nicht mehr. Es war sogar nicht einmal mehr gestattet, ein Grab mit einem Kreuz zu würdigen. Abgesehen von einigen Ausnahmen hatte keine Kirche mehr in Frankreich geöffnet. Einige von ihnen dienten stattdessen als Munitionslager.

Napoleon selbst war seit seiner Zeit in Brienne nicht mehr streng gläubig. Jesus Christus war für ihn nur ein Mensch, dennoch glaubte er noch immer an Gott und bewahrte sich eine emotionale Bindung an den Katholizismus.

Zum Beispiel wurde Bonaparte immer wieder von dem Klang der Kirchenglocken gerührt. Seine Mutter Letizia war sogar tiefgläubig und Napoleon erinnerte sich gern an Gesänge und Weihrauch zu seiner Zeit auf Korsika.

Napoleon kam schließlich zu dem Schluss, dass die Religion für sämtliche wichtigen Kulturen der Menschheit überaus wichtig war und gesellschaftliches Handeln überhaupt erst ermöglichte. Er hielt sie sogar für das Einhalten von Recht und Ordnung für unverzichtbar. Außerdem stillte sie den Durst der Menschen beim Verlangen nach Gerechtigkeit. So war die Religion von Bonapartes Standpunkt aus sehr nützlich für die Bürger.

Diese Ansicht wurde jedoch nicht von allen Anhängern Napoleons geteilt, bei denen es sich zum größten Teil um Atheisten handelte. Die führenden französischen Intellektuellen glaubten sogar, dass der Mensch der Religion entwachsen sei und sie nicht mehr brauche.

Napoleon studiert die Franzosen

Napoleon wollte vor seiner Entscheidung jedoch wissen, wie die einfachen Franzosen über dieses Thema dachten. So ging er im Jahr 1800 Berichte des Innenministeriums durch, befasste sich mit aktuellen Büchern und ließ durch seine Getreuen Informationen sammeln, die feststellen sollten, welche Meinung das Volk über die Religion vertrat.

Dabei stellte sich heraus, dass das Ansinnen der einfachen Bürger ganz anders war als jenes der Direktoren oder der intellektuellen Ideologen. So wurden zum Beispiel auf Gräbern immer wieder neue Kreuze nach ihrer Entfernung angebracht. Außerdem erschienen zahlreiche Schriften, die sich für den Erhalt der Religion aussprachen. Auch der Sonntag war nach wie vor für die Menschen von größter Bedeutung. Die Masse der Franzosen verlangte es danach, wieder die alten religiösen Gewohnheiten anzunehmen.

Napoleon war nun klar, dass die meisten Franzosen den katholischen Glauben behalten wollten. Der Erste Konsul musste jetzt darüber entscheiden, in welcher Form dies geschehen sollte. Das war nicht ganz einfach, denn in Frankreich existierten inzwischen zwei Kirchen, die sich gegenseitig zutiefst hassten. Napoleons Ziel war es jedoch, die Franzosen miteinander zu vereinen und die bestehenden Differenzen auszugleichen.

Auf der einen Seite gab es Kirchenvertreter, die den Eid auf die Verfassung geleistet hatten. Sie wollten sich zwar dem Papst unterstellen, erhielten jedoch von diesem keine Anerkennung. Von Pius VI. waren sie sogar exkommuniziert worden.

Die Priester, die den Eid verweigerten, erkannten wiederum den Staat nicht als Autorität in religiösen Fragen an. Um zu einer Lösung zu kommen, beschloss Bonaparte, mit dem neuen Papst Pius VII. (1742-1823) zusammenzuarbeiten, der erst vor kurzem unter österreichischem Schutz zum Heiligen Vater bestimmt worden war.

Pius VII. gehörte den Benediktinern an und war ein Historiker. Mit 58 Jahren handelte es sich bei ihm noch um einen relativ jungen Papst. Im Unterschied zu seinen Vorgängern verfügte er über Weitblick und zeigte durchaus gewisse Sympathien für Werte wie Freiheit und Gleichheit. Seiner Ansicht nach waren gute Christen auch gute Demokraten.

Napoleon kam dem Papst entgegen, indem er ihm mitteilte, dass er die Kirchen in Frankreich wieder zu öffnen beabsichtige. Im Gegenzug erwartete er von Pius VII. die verfassungstreuen Priester mit den Eidverweigerern zu versöhnen.

Ein neues Konkordat mit der Kirche

Napoleon plante, mit der Katholischen Kirche ein neues Konkordat zu schließen. So war das alte Konkordat aus dem Jahr 1515 von den Machthabern der Französischen Revolution einseitig gekündigt worden. Ab November 1800 begannen in Paris die Verhandlungen über ein neues Abkommen. Als Gesandten schickte der Papst Kardinal Spina, während Napoleon den früheren Untergrundkämpfer Étienne Bernier entsandte.

Aufgrund von unterschiedlichen Bedenken zogen sich die Verhandlungen hin und Kardinal Spina wurde von dem energischen Kardinal Ercole Consalvi ersetzt, der sich mit Bonaparte im Tuilerien-Palast traf. Nach einigem Hin und Her einigten sich beide Parteien schließlich im Interesse der öffentlichen Ordnung über ein neues Abkommen. Am 15. Juli 1801 wurde das neue Konkordat von Napoleon unterzeichnet. Consalvi unterschrieb für den Papst.

Durch das Konkordat wurde die Französische Republik vom Papst anerkannt. Mit dem Konkordat war es Bonaparte gelungen, die Französische Revolution auch aus kirchlicher Sicht zu beenden.

Das Konkordat bezeichnete den Katholizismus als eine „Religion der großen Mehrheit der Franzosen“. Von einer Staatsreligion wie zuvor wurde jedoch nicht mehr gesprochen. Die Pluralität der religiösen Bekenntnisse sowie die freie Kultausübung fanden durch das Konkordat Anerkennung.

Der Vatikan verzichtete wiederum auf Schadensersatz für den Besitz, der der Kirche während der Revolution genommen worden war.

Auswirkungen des Konkordats

Durch die Unterzeichnung des Konkordats konnte Napoleon Bonaparte seine Autorität weiter verstärken. Der Papst durfte neue Bischöfe in Frankreich einsetzen und sie unter bestimmten Umständen sogar wieder absetzen. Der christliche Glaube ließ sich wieder frei und öffentlich ausüben.

Allerdings hatte Napoleon das Abkommen nur mit einer knappen Mehrheit von sieben Stimmen durchgesetzt. Dennoch diente das Konkordat auch als Vorbild für andere Länder. In der heutigen Zeit hat es sogar noch immer im Département Moselle und im Elsass Gültigkeit.

Wiedereröffnung der Kirchen

Im April 1802 wurden die Kirchen in Frankreich wieder geöffnet und nach zehn Jahren läuteten im ganzen Land wieder die Glocken. Die große Mehrheit der Franzosen nahm Napoleons Entscheidung mit Begeisterung auf. Vor allem waren sie dem Ersten Konsul dankbar dafür, dass er ihnen den heiligen Sonntag wieder zurückgegeben hatte.

Ernennung der Bischöfe

Napoleon hatte außerdem die Aufgabe, 60 Bischöfe zu ernennen. Für dieses Amt wünschte er sich gläubige Christen mit einem tadellosen Lebenswandel. Sie sollten eine vermittelnde Rolle einnehmen. Napoleon fand eine gelungene Auswahl aus früheren Eidverweigerern, verfassungstreuen Bischöfen und neuen Bischöfen. Sogar Bonapartes Kritiker in Rom waren mit dieser Auswahl zufrieden, weil er schlichte Seelenhirten für dieses Amt bestimmte.

Erzbischof von Lyon wurde Napoleons Onkel Joseph Fesch, der viel für den Priesternachwuchs tat.

Nach der Ernennung durch Napoleon erhielten die Bischöfe vom Papst eine kirchenrechtliche Investitur. Auf diese Weise wurde die Kirche sozusagen zu einer staatlichen Einrichtung.

Kaiserkrönung Napoleons

Am Tage seiner Kaiserkrönung, am 2. Dezember 1804, ließ sich Napoleon in der Kathedrale Notre-Dame in Paris von Papst Pius VII. salben. So sah er die Legitimation seiner Krönung durch die Kirche als sehr wichtig an, denn auch Kaiser Karl der Große war im Jahr 800 vom Papst zum Kaiser gekrönt worden, ebenso wie die römisch-deutschen Kaiser des Mittelalters.

Allerdings bedurfte es einigen Drucks, um den Papst dazu zu bewegen, sich nach Paris zu begeben. Im Gegenzug erhielt der Papst von Napoleon mehrere Gebiete zurück, die der Kirchenstaat einige Jahre zuvor an die Franzosen verloren hatte.

Während seines Besuches in Paris empfing Pius VII. zahlreiche Würdenträger, Generale und frühere Jakobiner. Außerdem wurden mehrere tausend Pilger in den Gärten des Tuilerien-Palastes von ihm gesegnet.

Als ihm jedoch eines Abends Napoleons Gemahlin Joséphine gestand, dass sie mit Napoleon nur durch das Standesamt verheiratet war, geriet die Krönung noch einmal in Gefahr. So betrachtete Pius Joséphine als sündige Konkubine, die er ohne kirchliche Trauung unmöglich krönen könne.

Napoleon löste dieses Problem jedoch rasch, indem er sich an Mitternacht vor der großen Zeremonie mit Joséphine in seinem Arbeitszimmer von Joseph Fesch, der es inzwischen zum Kardinal gebracht hatte, kirchlich vermählen ließ.

Neues Zerwürfnis und Besetzung des Kirchenstaates

Als sich der Krieg gegen England verschärfte, sah Kaiser Napoleon in der Kontinentalsperre die beste Gelegenheit, seinen Gegner zu besiegen. Zu diesem Zweck wurden sämtliche Häfen in Europa für englische Schiffe gesperrt. Für das Gelingen seines Plans war es für den Korsen überaus wichtig, dass sich alle Häfen daran beteiligten.

Papst Pius VII. weigerte sich jedoch auf Anraten seiner Kardinäle, seine Häfen für die Briten zu sperren. Napoleon war außer sich vor Wut und ordnete im Mai 1809 die Besetzung des Kirchenstaates und Roms an, um seine Kontinentalsperre durchzusetzen. Als Entschädigung billigte der Kaiser dem Kirchenführer zwei Millionen Francs pro Jahr zu.

Pius reagierte daraufhin mit der Exkommunikation Napoleons. Napoleon sah sich zu Unrecht angegriffen und warf dem Papst vor, geistliche Macht mit weltlicher Macht zu verwechseln und bezeichnete ihn als „gefährlichen Marodeur“.

Gefangennahme des Papstes

Schließlich wurde der Papst sogar verhaftet und in den Bischofspalast nach Savona gebracht. Pius revanchierte sich dafür bei Napoleon, indem er die Investitur der vom Kaiser bestimmten Bischofskandidaten verweigerte. Dadurch mussten 1811 27 Bistümer in Frankreich auf einen Bischof verzichten. Der Papst argumentierte, dass er unmöglich Bischöfe einsetzen könne, die ein Exkommunizierter ausgewählt habe.

Als sich im Mai 1812 die englische Flotte Savona näherte, wurde Pius VII. auf Befehl Napoleons nach Schloss Fontainebleau gebracht, wobei der Papst aus Tarnungsgründen dazu gezwungen war, sich als einfacher Priester zu kleiden.

Im Januar 1813 kam es in Fontainebleau zu einem Treffen mit Napoleon, der den Papst dazu brachte, ein Dokument zu unterzeichnen, dass von nun an die Metropoliten dazu ermächtigte, die Investitur der Bischöfe vorzunehmen. Als Dank dafür gewährte Napoleon dem Papst die Gesellschaft der Kardinäle Consalvi und Pacca. Diese brachten Pius jedoch dazu, seine Zustimmung zu dem Abkommen wieder zurückzuziehen.

Napoleon reagierte mit Enttäuschung, hatte nun aber mit wichtigeren Problemen zu tun, da ihn seine Gegner militärisch bedrängten und sogar in Frankreich einmarschierten. Im Januar 1814 durfte der Papst schließlich wieder nach Rom zurückkehren. Nach Napoleons Niederlage machte er sämtliche Reformen der Französischen Revolution wieder rückgängig.

Doch auch für den Papst gab es wenig Grund zur Freude. Zwar wurde der Kirchenstaat durch den Wiener Kongress 1815 noch einmal wiederbelebt, doch hatte er seine frühere Machtposition verloren und wurde von den Großmächten abhängig.

Im Jahr 1870 fiel der Kirchenstaat an die italienischen Nationalisten, die Rom zur Hauptstadt des vereinigten Italien erklärten.

Fazit

Der Streit mit dem Papst hatte das positive Bild, das Napoleon in religiösen Fragen in Frankreich vermittelt hatte, nur wenig getrübt. So war vor allem das Konkordat mit der katholischen Kirche ein Akt der Weitsichtigkeit, der bis ins Jahr 1905 andauerte.

Durch Napoleons Intervention konnten sich die Kirchen in Frankreich den Gläubigen wieder öffnen. Das Modell machte Schule, sodass im Laufe des 19. Jahrhunderts 30 ähnliche Verträge zwischen der Kirche und anderen Staaten zustande kamen.