Der Code civil bzw. Code Napoléon

Als Code civil wird ein französisches Gesetzbuch bezeichnet, das Napoleon Bonaparte 1804 einführte.

Daher ist es auch als Code Napoléon bekannt.

Der Code Napoléon

Am 9. November 1799 wurde Napoleon Bonaparte zum Ersten Konsul von Frankreich.

Dies stellte ihn vor die Herausforderung, sich mit den Finanzen, der Wirtschaft, dem Handel sowie der Rechtsprechung des von Krisen geschüttelten Landes zu befassen.

Zu Napoleons größten Leistungen zählte der Entwurf des Code civil, der auch als Code Napoléon in die Geschichte einging.

Dieses Bürgerliche Gesetzbuch bildete bis in die heutige Zeit die Grundlage für die Rechtssprechung Frankreichs.

Es wurde am 21. März 1804 nach mehrjähriger Vorbereitung eingeführt.

Einige Stellen behielten bis in die Gegenwart Gültigkeit.

Offiziell bezeichnet wurde das Gesetzbuch als „Code civil des Français“ (Zivilgesetzbuch der Franzosen).

In den Jahren 1807 bis 1815 trug es auch den Titel „Code Napoléon“, um den französischen Kaiser zu ehren.

Gleiches geschah erneut zwischen 1853 bis 1871, unter der Regentschaft von Napoleon III.

Die Idee für das neue Gesetzbuch

Nachdem es Napoleon gelungen war, die französischen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen, konnte er sich im Jahr 1800 mit dem Rechtswesen befassen.

Dabei stieß er jedoch auf große Schwierigkeiten, weil es kein einheitliches französisches Recht gab. Stattdessen wurde das Rechtswesen im Land durch regionale Gesetzbücher bestimmt.

Außerdem gab es in Frankreich hunderte unabhängige Gerichte. Dazu zählten allein in Paris das Gericht der berittenen Polizei, der Admiralität, der Jäger, des Artilleriebezirks, des Salzlagers usw.

Diese einzelnen Gerichte schoben sich die Fälle gegenseitig zu, was jedoch nur für die Anwälte von Nutzen war.

Darüber hinaus gab es seit der Französischen Revolution zahlreiche Widersprüche zu den früheren Gesetzeswerken.

Ferner war das Land der Gesetzgebung nach in zwei Teile gespalten. So wurde im Norden das Gewohnheitsrecht ausgeübt, während im Süden das römische Recht Gültigkeit hatte.

Napoleon beklagte sich bei seinem Außenminister Talleyrand, dass Frankreich eine Nation mit 300 Gesetzbüchern, aber ohne Gesetz sei.

Um ein neues Gesetz zu schaffen, das mit den Menschenrechten und den Eigenschaften der Französischen Revolution verbunden wurde, bestimmte Napoleon mit François Denis Tronchet (1726-1806) und Félix Julien Jean Bigot de Préameneu (1747-1825) aus dem Norden sowie Jacques de Maleville (1741-1824) und Jean-Étienne-Marie Portalis (1746-1807) aus dem Süden Frankreichs, damit sie ihm bei der Ausarbeitung des kommenden Zivilrechts halfen.

Zur Ausarbeitung eines Entwurfs gab er den vier Advokaten sechs Monate Zeit. Dieser Entwurf sollte anschließend im Staatsrat, der aus etwa 50 ausgewählten Personen bestand, Punkt für Punkt durchgesprochen werden.

Grundsätze des Code civil

Bei den meisten wesentlichen Punkten des Code civil bestand Einigkeit zwischen Napoleon und den Juristen. Dazu zählten:

  • das Ende der feudalen Rechte,
  • Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz,
  • die Zivilehe,
  • die Unverletzbarkeit des Eigentums,
  • die freie Wahl der Arbeit,
  • die Freiheit des Gewissens.

In einigen Punkten gab es jedoch Meinungsverschiedenheiten zwischen Napoleon und den Advokaten und Staatsräten. Dazu gehörte zum Beispiel die Bedeutung der Familie.

Durch die Französische Revolution waren die Familienrechte beschnitten worden, was Napoleon ändern wollte, um die Balance wiederherzustellen. So sorgte er dafür, dass die Familien sowie deren Oberhaupt eine stärkere Position erhielten.

Der Erste Konsul war der Ansicht, dass die Familie den besten Schutz für Schwache bot.

Napoleon fügte beispielsweise einen Paragraphen ein, der die Eltern dazu verpflichtete, ihr Kind auch dann zu ernähren, wenn es bereits das Erwachsenenalter erreicht hatte.

Beschlüsse zur Ehe

Ein weiterer Streitpunkt im Rat war die Ehe.

Auch Napoleon vertrat die Ansicht, dass es sich bei der Ehe um eine zivile Einrichtung handelte. Er wünschte sich jedoch von den jungen Menschen das dafür erforderliche Verantwortungsbewusstsein.

Eine Trauung ohne jegliche Feierlichkeiten durch einen Standesbeamten wirkte dem Korsen zu nüchtern. Er selbst hatte dies bei seiner Eheschließung mit Joséphine erlebt. Daher wünschte er sich feierliche Worte wie bei einer kirchlichen Predigt.

Allerdings fiel keinem aus der Kommission eine passende Wortwahl ohne religiöse Aspekte ein.

Des Weiteren setzte sich Napoleon mit dem Wunsch durch, dass Mädchen nicht mehr mit 13 Jahren und Jungen mit 15 Jahren verheiratet werden durften. Als neue Altersgrenze wurden 18 Jahre für Mädchen und 20 Jahre für Jungen festgelegt.

Ferner verlangte Napoleon in der Ehe den Gehorsam der Frau, wie es bereits im römischen Recht vorgesehen war. So wurde der Paragraph 213 festgelegt, in dem es hieß, „dass die Frau dem Mann Gehorsam schuldet“.

Ehescheidung

Heftig umstritten war die Scheidung der Ehe.

Von dem frommen Katholiken Portalis wurde sie strikt abgelehnt. Einige der Räte sahen in ihr eine Gefahr für die Stabilität der Gesellschaft.

Allein in Paris kam es zwischen 1799 und 1800 zur Scheidung jeder fünften Ehe.

Auch Napoleon war eigentlich gegen die Ehescheidung, zeigte in diesem Punkt jedoch eine liberale Haltung. So hielt er sie in manchen Fällen für unvermeidlich, sodass sie Aufnahme in den Code civil fand.

Dabei sollte die Scheidung im Einverständnis beider Ehepartner erfolgen, sofern schwerwiegende Gründe bestanden.

Außerdem war die Zustimmung der Eltern des Ehepaars erforderlich.

Der Code civil braucht seine Zeit

Zwischen Juli und Dezember 1800 verfassten Napoleon und der Staatsrat 2281 Paragraphen des Code civil.

Allerdings herrschten auch nach Ende dieser Tätigkeit Widerstände vor. So wurden meist Einwände erhoben, die vor allem den Schutz der Bürgerrechte betrafen.

Daher dauerte es bis ins Jahr 1804, bis Napoleon sein Gesetzbuch vollständig durchbringen konnte, auch weil mittlerweile die Amtszeit einiger Ratsmitglieder abgelaufen war.

Am 21. März 1804 war Napoleon endlich in der Lage, den Code civil der Öffentlichkeit vorzustellen.

In Anerkennung für ihre Verdienste am neuen Gesetzeswerk ließ Bonaparte Statuen von Portalis und Tronchet in der Ratskammer aufstellen.

Doch auch Napoleons Anteil am Code civil war keineswegs zu unterschätzen. So war es ihm zu verdanken, dass in Frankreich wieder Ordnung herrschte und das Gesetzbuch in nur vier Jahren herausgebracht werden konnte.

Außerdem hatte der Korse dafür gesorgt, dass der Code civil in einer Sprache verfasst wurde, die auch die einfachen Bürger verstanden.

Ein Nachteil lag allerdings darin, dass die Frauen auch in dem neuen Gesetzbuch keinerlei Berücksichtigung fanden.

Inhalt

Der Code civil stützte sich auf wesentliche Forderungen der Französischen Revolution. So wurde allen (männlichen) Franzosen Folgendes garantiert:

  • Gleichheit vor dem Gesetz,
  • Freiheit für jeden Bürger,
  • Schutz des Privateigentums,
  • freie Wahl des Berufs sowie Gewerbefreiheit,
  • Abschaffung des Zunftzwangs,
  • Schaffung einer juristischen Grundlage für die Marktwirtschaft,
  • Trennung zwischen Staat und Kirche,
  • das Aufzeichnen von Geburten und Todesfällen.

Dabei wurde der Code civil in drei Bücher mit dem Titel Livre I – III aufgeteilt.

Verbreitung des Code Napoléon

Der Code civil beschränkte sich nicht nur auf Frankreich, sondern kam auch ab 1807 in den Ländern zur Geltung, die von Frankreich abhängig waren.

Dabei handelte es sich auch um deutsche Gebiete wie das Königreich Westfalen. Ferner um das Königreich Neapel, das Königreich Holland und das Herzogtum Warschau.

Innerhalb von wenigen Jahren verbreitete sich der Code Napoléon vom polnischen Warschau bis ins portugiesische Lissabon sowie von der Adriaküste bis an die Nordseeküste.

Auch nach Napoleons vernichtender Niederlage von Waterloo hielt seine Verbreitung weiter an. So wurde das Gesetzeswerk neben West- und Südeuropa auch auf dem amerikanischen Kontinent etwa in Louisiana, Haiti, Bolivien, Niederkanada, Québec, Argentinien, Mexiko und Paraguay sowie in afrikanischen Ländern wie Ägypten oder den französischen Kolonien eingeführt.

Code civil als Rheinisches Recht in Deutschland

Auch in vielen deutschen Gebieten wurde der Code civil nach Napoleons Niederlage beibehalten.

Nur in den altpreußischen Regionen kam es am 1. Januar 1815 zur Wiedereinführung des vorherigen Allgemeinen Preußischen Landrechts (ALR).

Im Jahr 1818 ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) auf Empfehlung der Rheinischen Immediat-Justiz-Kommission an, im Wesentlichen die bestehende Gesetzgebung der Rheinprovinzen nach dem Code civil beizubehalten.

Im 19. Jahrhundert wurde der Code Napoléon in Deutschland als Rheinisches Recht bezeichnet.

Zu den betroffenen Gebieten zählten u. a. das linksrheinische und bergische preußische Rheinland, die bayerische Pfalz, Rheinhessen, Baden sowie die Fürstentümer Lichtenberg und Birkenfeld.

Erst im Jahr 1900 kam es in diesen Regionen zur Ablösung des Code civil durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

Auswirkungen des Code Napoléon

Der Code civil führte nicht nur in Frankreich, sondern auch in vielen Teilen Europas zu gravierenden Veränderungen der Gesellschaft und Politik.

So fanden die Ideen der Freiheits- und Grundrechte bei zahlreichen Bürgern positiven Anklang.

Die Gebiete des Rheinbundes konnten sich dadurch zu modernen Staatsgebilden entwickeln.

Dagegen bedeutete der Code civil für die alte feudale Gesellschaftsordnung das Ende und führte zu einer neuen Epoche.

Sogar Napoleon selbst schätzte die Situation richtig ein, als er 1816 im Exil auf St. Helena bemerkte, dass viele seiner Siege durch seine Niederlage bei Waterloo bald vergessen sein würden, nicht jedoch der Code civil.